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Donnerstag, 24. Juli 2003

Orgel gedreht, Frust geerntet

Kein Drehorgel-Festival in diesem Jahr - Den Dreh mit den Finanzquellen nicht gefunden

St. Gallen wird nicht zur Drehorgel-Stadt. Sechs Mal wurde das kleine Sommerfestival durchgeführt. Doch dieses Jahr bleiben die Leierkästen stumm. Es fehlte an Geld und an Resonanz.

von josef osterwalder

Drehorgel-Treffen können zu Grossanlässen werden. Beim diesjährigen Festival in Thun fanden sich am 13. Juli rund 40 000 Besucherinnen und Besucher in der Stadt ein. Dabei gehört bei den Drehorgelspielern Thun nicht einmal zu den beliebtesten Spielplätzen. St. Gallen habe einen weit besseren Ruf, sagt Werner Thönig, der Initiant des hiesigen Drehorgelfestes. In Thun drängen sich über dreihundert Spielerinnen und Spieler in die Gassen, sodass man vor lauter Klängen die eigene Leier nicht mehr hört. In St. Gallen jedoch wurde gezielt eingeladen, achteten die Initianten darauf, möglichst unterschiedliche Instrumente in die Stadt zu bringen. Nicht Klangmasse, sondern Klangvielfalt war das Ziel.

Teures Waaghaus-Fenster

War - denn das Drehorgelfest steht nicht mehr auf dem Veranstaltungskalender. Bereits letztes Jahr mussten die Initianten einsehen, dass ihr Fest zu wenig Rückhalt geniesst. «So beliebt das Fest bei Spielerinnen, Spielern und der Bevölkerung war, uns fehlte mehr und mehr die Unterstützung von Sponsoren und der öffentlichen Hand», sagt Werner Thönig, der vor sieben Jahren das erste Festival auf die Beine gestellt hatte; zusammen mit Doris und Bruno Bischof, auf deren Organisationserfahrung er zählen konnte. Gerade dreihundert Franken habe man in all der Zeit einmal von der Stadt erhalten, sagt Thönig. Wobei weit schwerer wiegt, dass jedes Mal auch der Einbau der grossen Fenster ins Waaghaus bezahlt werden musste: «Wir brauchen ein Lokal, bei dem man mit den Drehorgeln ebenerdig einfahren kann.» Rund eineinhalbtausend Franken habe man für den Einbau ausgegeben.

Vom Einbruch entmutigt

Etwa 6000 Franken müsste das OK beieinander haben, um sorglos ein weiteres Festival starten zu können. Doch die Gelder der Sponsoren, die mit einem Inserat im Programmheft vertreten sind, flössen immer spärlicher, sagt der Initiant. «Wir haben uns alle erdenkliche Mühe gegeben bei der Sponsorensuche», sagt Doris Bischof, «gewiss hat es immer wieder auch Lichtblicke gegeben, aber aufs Ganze gesehen, war dies doch zu wenig.» Kommt hinzu, dass letztes Jahr in das Waaghaus eingebrochen, ganze Wein- und Bierkisten abtransportiert und Unrat über den Hallenboden hin verstreut wurde. Damals mussten die Initianten einsehen, dass es so nicht weitergeht. «Es ist uns einfach irgendwie verleidet», erklärt Doris Bischof die Gefühlslage. Beigetragen hat dazu auch, dass man von den Gassengesellschaften kaum ein Echo, schon gar kein anerkennendes bekam. Man fühlte sich in der Altstadt eher geduldet denn erwünscht.

Ein neuer Anlauf?

Ob sich das Rad zurückdrehen, in einem Jahr vielleicht doch wieder ein Orgelfestival organisieren lässt? André Gunz, Kulturbeauftragter der Stadt, ist auf Anfrage überrascht, dass das Drehorgelfest nicht stattfindet. Die Stadt sei in jüngerer Zeit von den Organisatoren nicht angefragt worden. «Wir wären gewiss gesprächsbereit», sagt Gunz, «genauso wie wir auch dieses Jahr das Strassenmalfestival vom 30./ 31. August unterstützen.» Da ist vielleicht die Leier doch nicht endgültig im Kasten verschwunden, könnte es nächstes Jahr doch wieder ein Drehorgelfest geben. Zumal sich an verschiedenen Drehorgel-Orten der zweijährige Turnus bewährt.

Zum Beispiel Minfeld

Zu diesen gehört zum Beispiel das 1732-Seelen-Dorf Minfeld in der Pfalz, dessen Drehorgelfest zu Marke und Aushängeschild geworden ist; mit einem besonders prominenten Orgelspieler: dem Bürgermeister!

 

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