Über Drehorgeln und Ihre Entstehung


 

Handgespielte Musikinstrumente mit Klangbildung durch Pfeifen bezeichnen wir als Orgeln, zum Beispiel die Kirchenorgel. In Griechenland und auch in Rom fanden bereits 100 Jahre vor Christus Orgelspielveranstaltungen statt. In den Wirren der Völkerwanderung ging aber die römische Kultur unter. In der Literatur sind Orgeln im Westen erst wieder um das Jahr 750 nachweisbar. Sie wurden hauptsächlich von Ordensleuten für ihre Kirchen und Klöster gebaut. 1766 schreibt der französische Orgelbauer Dom François Bedos de Celles sein Werk "L'art du facteur d'Orgues. Dieses Buch ist auch heute noch, im Zusammenhang mit Orgeln, das meist zitierte Werk.
Die Entwicklung der Drehorgel, lässt sich bis zum Jahre 1700 zurückverfolgen. Um diese Zeit wird Giovanni Barberi aus Modena genannt, der kleine Drehorgeln gebaut haben soll.
Ignaz Bruder lebte von 1780 bis 1845. Er war ein anerkannter Orgel- und Spieluhrenbauer im Schwarzwald. Für seine Nachkommen zeichnete er seine ganzen Erfahrungen im Orgelbau bis ins letzte Detail auf. Karl Bormann hat in seinem Buch
"Orgel- und Spieluhrenbau" diese Aufzeichnungen kommentiert und für den heutigen Drehorgelfreund verständlich gemacht.
Bei diesen Orgeln handelte es sich um sogenannte Walzenorgeln. Sie funktionieren wie folgt:
Mittels einer Handkurbel wird ein Doppelschöpfer-Blasebalg betätigt, der den nötigen Wind für die Pfeifen erzeugt. Ein Schneckengetriebe, von der selben Welle angetrieben, dreht die Stiftwalze. Auf dieser Walze werden in minuziöser Arbeit, für jeden Ton ein Stift eingeschlagen. Diese Stifte der sich drehenden Stiftwalze, betätigen über den Clavis (Klavierhebel) und den Stecher, das Spielventil, das dann den nötigen Spielwind für die entsprechenden Pfeifen frei gibt und diese ertönen lässt. Es handelt sich also um eine mechanische Steuerung. Meistens sind mehrere Musikstücke auf einer dieser, leider schweren, teuren und unhandlichen Stiftwalzen gesteckt.

Bereits 1842 meldete der Franzose Claude Felix Seytre die pneumatische Lochbandsteuerung zum Patent an. Aber erst 1883 griff die Firma Welte die Idee wieder auf und benutzte sie zur Steuerung ihrer Orchestrien. Die Lochbandsteuerung verdrängte die Stiftwalzensteuerung, weil auf kleinerem Raum mehr Musik gespeichert werden kann. Die Drehorgeln, die heute gebaut werden, sind meistens mit einer Lochbandsteuerung für 20, 26 oder 31 Tonstufen ausgerüstet.
Mit der Weiterentwicklung der elektronischen Speicherchips hält die Elektronik auch Einzug im Drehorgelbau. Drehorgeln mit elektronischer Steuerung sind aber immer noch handgespielte Musikinstrumente mit Klangbildung durch Pfeifen, wie anfänglich erwähnt wurde. Nur die Speicherung und die Steuerung der Musikstücke erfolgt elektronisch. Gekurbelt wird immer noch, wie zu Ignaz Bruders Zeiten, um den Blasebalg zu betätigen. Viele Drehorgelbauer rüsten ihre Orgeln sogar mit einer Lochbandsteuerung und einer elektronischen Microchipssteuerung aus. Für ein nostalgisches Publikum wird mit der Lochbandsteuerung gespielt, und für modernere Zuhörer werden die Pfeifen elektronisch angesteuert. Der Klang der Orgel wird durch die elektronische Steuerung nicht beeinflusst, es können aber, je nach Speicherchip, eine viel grössere Anzahl von Musikstücken abgespeichert werden, die alle einzeln abrufbar sind.

Henry Kraenzlin

Literatur: Karl Bormann, Orgel- und Spieluhrenbau
Herbert Jüttemann, Waldkircher Dreh- und Jahrmarktorgeln

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